Tschechische Legenden
Mit
freundlicher Unterstützung von Lorenzo Cordini
Der Ursprung von Prag geht auf das 7te Jahrhundert und die slawische Prinzessin
Libuše, eine Frau von großer Schönheit und Weisheit, die
prophetische Fähigkeiten besaß, zurück. Libuše und ihr
Ehemann, Prinz Přemysl, regierten friedlich über die tschechischen
Lande vom Hügel von Vyšehrad aus. Eine Legende besagt,
dass Libuše eines Tages eine Vision hatte. Sie stand an
einer Klippe, schaute auf den Moldau und zeigte auf einen
bewaldeten Hügel auf der anderen Seite des Flusses und
rief aus: "Ich sehe eine große Stadt, deren Ruhm bis zu
den Sternen reichen wird." ("Vidím město veliké, jehož sláva hvězd se dotýkati bude."). Sie gab ihren Leuten Anweisung,
zu gehen und dort ein Schloss zu errichten, wo ein Mann
gerade dabei war, die Schwelle (auf Tschechisch práh) zu
einem Haus zu legen. "Und weil selbst die Edlen vor einer
Schwelle niederknien müssen, sollt Ihr ihm den Namen Praha
(Prag) geben." Ihre Worte wurden befolgt und etwa 200 Jahre
später wurde Prag der Sitz der Premyslid Dynastie.
Als die tschechischen Lande von Prinz Křesomysl regiert wurden, lebte in der
Stadt Neumětely ein Bauer namens Horymír. Er hatte ein
weißes Pferd von außerordentlicher Intelligenz mit dem
Namen Šemík. Auf Grund der Besessenheit des Prinzens, unterirdische
Schätze aufzuspüren, wurden die Menschen ermutigt, ihre
Landwirtschaft ruhen zu lassen um in den Minen zu arbeiten.
Horymír war unzufrieden mit Křesomysl und dessen Herrschaft
und warnte, dass die Vernachlässigung der Landwirtschaft
zu einer Hungersnot führen würde. Sein Protest stieß bei
den Bergarbeitern auf taube Ohren, und so steckten sie
eines Tages sein Anwesen in Brand. Daraufhin brannten Horymír
und seine Anhänger das Dorf der Bergarbeiter nieder. Horymír
wurde angeklagt und zum Tode verurteilt. Als man ihn nach
seinem letzten Wunsch befragte, bat er um einen letzten
Ritt auf dem Schlosshof auf seinem geliebten Pferd Šemík.
Sein Wunsch wurde ihm gewährt. Als Horymír auf sein weißes
Pferd stieg, flüsterte er etwas in dessen Ohr. Šemík rannte
zu den Wällen, sprang über sie und glitt die Klippen hinab. Als die Schaulustigen zu den
Wällen kamen waren sie erstaunt, Horymír und Šemík auf
der anderen Seite des Moldau in Richtung Neumětely galoppieren
zu sehen.
Der wundersame Sprung hatte Šemík erschöpft. Das sterbende Pferd sprach mit einer
menschlichen Stimme zu Horymír und bat ihn, ihm ein Grab
zu errichten. Horymír tat, was sein Pferd wünschte. Das
Grab ist seitdem verschwunden, aber man sagt, dass Šemík
in dem Felsen von Vyšehrad schläft, bereit herauszukommen,
wann immer sein Hilfe von Neuem benötigt würde.
Im 16ten Jahrhundert, während der Herrschaft Rudolf II, lebte ein alter Jude
namens Rabbi Judah Loew in Prag. Während dieser Zeit wurden
die jüdischen Bewohner Prags oft angegriffen und führten
ein Leben in Angst. Rabbi Loew beschloss, die Juden gegen
diese Pogrome zu schützen, indem er den Golem schuf, einen
Riesen, der laut der Kabbala aus Lehm von den Ufern des
Moldau geschaffen werden konnte. Den vorgeschriebenen Ritualen
folgend formte der Rabbi den Golem und hauchte ihm mit
einem speziellen hebräischen Gesang Leben ein. Auf seine
Stirn schrieb er das Wort "emet", welches "Wahrheit" bedeutet.
Der Golem folgte jeder Anweisung des Rabbis und beschützte
die Menschen im jüdischen Ghetto. Jedoch, mit zunehmender
Größe wurde er auch gewalttätiger und begann, wahllos Menschen
umzubringen und Angst und Schrecken zu verbreiten. Rabbi
Loew wurde nun versprochen, dass alle Gewalt gegen die
Juden aufhören würde, wenn er den Golem zerstören würde.
Der Rabbi stimmte zu. Indem er den ersten Buchstaben des
Wortes "emet" entfernte verwandelte er es in "met", was
"Tod" bedeutet und nahm dem Golem so das Leben. Nach der
Legende wurde der Golem von Rabbi Loews Sohn erneut ins
Leben gerufen und beschützt Prag vielleicht noch heute.
Eines Tages stellte ein Gefangener fest, als er die berühmte astronomische Uhr
betrachtete, dass sich ein Spatz im Mund des Todes verfangen
hatte. Der unglückliche Mann deutete dies als ein schlechtes
Zeichen und meinte nun, den Rest seines Lebens im Gefängnis
verbringen zu müssen. Doch als die nächste Stunde schlug,
begann die Uhr, sich von Neuem zu bewegen und der Kiefer
des Todes öffnete sich und gab, zur grossen Erleichterung
des Gefangenen, den Spatzen frei. Wenige Tage später wurde
der Verurteilte aus dem Gefängnis entlassen und wieder
ein freier Mann.
Der Name des Turmes von Dalibor (im Prager Schloss) geht
auf eine der bekanntesten Legenden Prags zurück, eine Geschichte,
die auch in einer Oper von Bedrich Smetana 1868 verarbeitet
wurde.
Nach dieser Legende wurde ein Mann namens Dalibor aus Kozojedy, einer kleinen
Stadt in der Nähe von Litomerice, zum Tode verurteilt und
in den Turm eingesperrt, weil er einigen rebellischen Bauern
Unterschlupf gewährt hatte. Während er auf seinen Tod wartete,
spielte er auf seiner Geige und die Musik war so schön,
dass alle Bewohner Prags gerührt und verzaubert wurden
so dass es die Regierenden nicht wagten, den Tag der Hinrichtung
bekanntzugeben. Die Menschen wussten, dass der großmütige
Dalibor tot war, als seine Geige für immer verstummte.
Eine Legende besagt, dass ein wohlhabender Mann namens
Myslík sich gezwungen sah, Prag nach der Schlacht am Weißen
Berg zu verlassen. Er raffte all sein wertvolles Silber
zusammen und schmolz es in einer fischförmigen Lehmform
ein. Bevor er sein geliebtes Prag verließ, versteckte er
den Silberfisch in einer Wand seines Hauses. Viele Jahre
später lebte ein neuer Pächter in diesem Haus. Eines Tages
befahlen ihm die Stadtväter, das alte Gebäude niederzureißen
und ein neues zu bauen. Der arme Mann war sehr verzweifelt
weil es ihm am Geld für ein solches Unterfangen mangelte.
Er war gerade im Begriff, das Haus zu verlassen, als Myslíks
Silberfisch aus der beschädigten Wand fiel. Das wertvolle
Objekt erlaubte es dem Mann, sein altes Haus zu restaurieren.
Diese Legende ist immer noch sehr bekannt in Prag. Die
Moral der Geschichte besagt, dass des einen Unglück immer
zum Glück eines anderen führen kann und wir deshalb niemals
die Hoffnung aufgeben sollten.
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